Auflösung und Anpassung
Enteignung der Volkshaus GmbH und Gründung der LüWoBau
Als die Nationalsozialisten in Deutschland in Macht übernahmen, bedeutete das für die Volkshaus GmbH das Aus. Die Vorläuferin der LüWoBau war schließlich eng verflochten mit Arbeiterbewegung, Gewerkschaften und SPD – und diese alle standen im klaren Widerspruch zur Ideologie der NSDAP.
Im Mai 1933 zerschlugen die Nationalsozialisten deutschlandweit die Gewerkschaften. Deren Versammlungsorte wurden besetzt, das Vermögen enteignet. In Lüneburg traf dies auch die Volkshaus GmbH.
Geschäftsführer Ernst Braune verlor all seine Ämter. Als früheres SPD-Mitglied durfte er auch seinen Beruf aus Bauaufseher bei der Stadt nicht mehr ausüben. Erst Ende der 1930er-Jahre sollte er in seinem ursprünglichen Beruf als Maurerpolier wieder Fuß fassen. Weitere Gewerkschaftler teilten Braunes Schicksal.
Das Volkshaus in der Schröderstraße wurde der „Deutschen Arbeitsfront“ zugewiesen und symbolträchtig in „Haus der Deutschen Arbeitsfront“ umbenannt.
An dem übrigen Immobilienbestand, also den Arbeiterhäusern im Mittelfeld mit ihren 317 Wohnungen, hatte die „Deutsche Arbeitsfront“ jedoch kein Interesse. Sie verkaufte ihre Anteile 1939 an die Stadt und die Lüneburger Eigenheimgenossenschaft, eine andere Wohnungsbaugesellschaft.
„Die Erwerber der Geschäftsanteile nehmen in Aussicht, der neuen Gesellschaft den Namen ‚Mittelfeld-Bau-GmbH‘ zu geben. Es besteht Einigkeit darüber, daß der alte Name zu verschwinden hat.“
Aus dem Protokoll einer Besprechung zwischen der Stadt Lüneburg, der Deutschen Arbeitsfront und der Gemeinnützigen Eigenheimgenossenschaft, 17. Juli 1939 (Stadtarchiv Lüneburg, LA 1601)
Sie sollte nicht nur die Immobilien der einstigen Volkshaus GmbH verwalten, sondern vor allem Neubauprojekte für städtische Verwaltungskräfte und Parteifunktionäre der NSDAP vorantreiben. Als Geschäftsführer wurden Karl Töllner und Heinrich Wilhelm eingesetzt: Sie waren zugleich Geschäftsführer der Eigenheimgenossenschaft.
Repro: Haus der Deutschen Arbeitsfront, Schröderstraße 16/Apothekenstraße
Kurz danach forderte der Verband niedersächsischer Wohnungsbauunternehmen im Sinne der NS-Gleichschaltungspolitik, dass die Gemeinnützige Baugesellschaft Mittelfeld GmbH mit der 1936 von Industrie und NSDAP-Mitgliedern gegründeten Lüneburger Bau GmbH verschmelzen solle.
Geschäftsführer Karl Töllner lehnte die Pläne ab: Sie seien unrentabel. Doch Töllner wurde zum Rückzug gezwungen, der NS-Funktionär Gustav Hokamp und der Regierungspräsident übten Druck auf ihn aus.
Die Stadt wurde zur alleinigen Gesellschafterin der Mittelfeld GmbH.
Einer Fusion mit der Lüneburger Bau GmbH stand nichts mehr im Wege. Deren Geschäftsführer war seit 1936 Salinendirektor Dr. Kurt Höbold gewesen.
Ende 1941 wurde die Gemeinnützige Lüneburger Wohnungsbau GmbH (heute: LüWoBau) offiziell gegründet. Hauptgesellschafterin ist die Stadt, in den Gremien waren – ganz anders als bei der Volkshaus GmbH – größere Industrieunternehmen und Politiker der NSDAP vertreten. Dr. Kurt Höbold wurde Vorsitzender des Aufsichtsrats.
Die zwei 1939 gebauten Mehrfamilienhäuser am Schildsteinweg mit 10 Mietwohnungen waren der kleine Anteil der Lüneburger Bau GmbH an der Fusion.
Gebaut wurde während der Kriegsjahre nicht mehr. Die Gewinne aus den Mieteinnahmen wurden für die zukünftige Bautätigkeit „nach dem Kriege“ zurückgelegt.
Doch der Krieg endete mit einer Niederlage. Und dieser folgte die britische Besatzung. Es gelang der LüWoBau jedoch, sich an die neuen politischen Verhältnisse anzupassen.
Die politisch belasteten Mitglieder des Aufsichtsrats traten 1946 von ihren Ämtern zurück. Lediglich Salinendirektor Dr. Kurt Höbold, der durch die NS-Zeit als wenig belastet galt, wurde als Aufsichtsratsvorsitzender bestätigt. Er schlug vor, den einstigen Geschäftsführer der Volkshaus GmbH, den Sozialdemokraten und Gewerkschafter Ernst Braune, in den Aufsichtsrat zu wählen.
Damit knüpfte die LüWoBau bewusst an die Zeit vor 1933 an.
Das Führungsduo Höbold und Braune genoss das Vertrauen der britischen Militärregierung. Nach Enteignung, Zwangsfusion, Neugründung und Krieg konnte man nun die ersten Schritte in die neue Zeit wagen.
Copyright Texte: Museum Lüneburg
Copyright Fotos:
Header (Besetzung Volkshaus Apothekenstraße)/ Museum Lüneburg
Haus der Deutschen Arbeitsfront (Postkarte Innenansicht vom 11.08.1935)/ Sammlung Boldt
Haus der Deutschen Arbeitsfront (Postkarte Innenansicht vom 11.08.1935)/ Sammlung Boldt
Haus der Deutschen Arbeitsfront (Postkarte Außenansicht vom 11.08.1935)/ Sammlung Boldt
Karl Töllner/ Archiv der Landeszeitung für die Lüneburger Heide
Briefkopf Mittelfeld GmbH/ Stadtarchiv Lüneburg, LA 1601
Schildsteinweg 10-18/ Museum Lüneburg
Dr. Kurt Höbold/ LüWoBau GmbH